Aktuelle Pressemeldung

SOPTIM: Am eigenen Pilotprojekt beim Smart Metering führt kein Weg vorbei

Für Verteilnetzbetreiber und Vertriebe, aber auch neu gegründete oder ausgegliederte Messstellenbetreiber und Messdienstleister stellt sich die inzwischen drängende Frage, wie das Thema Verbrauchsmessung EnWG- und MessZV-konform umgesetzt werden soll. Viele Unternehmen haben aufgrund rechtlicher und technischer Unsicherheiten sowie fehlender Standards gezögert, Smart-Metering-Pilotprojekte zu starten. Nun muss die Bremse gelockert werden, um nicht den Anschluss zu verpassen. Eigene Erfahrungen sind bei Planung, Implemen- tierung und Betrieb der technisch komplexen Technologie un- verzichtbar.

Der Gesetzgeber hat die Weichen für die smarte Energiewelt von morgen in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen bereits 2008 gestellt. Die damit verbundenen Herausforderun- gen für die Unternehmen der Energiewirtschaft sind mittlerwei- le akut greifbar. Mit § 21 b EnWG und der neuen Messzugangs- verordnung (MessZV) wurden die Marktrollen Messstellenbe- treiber (MSB) und Messdienstleister (MDL) ausgeprägt und das Messwesen liberalisiert. Jeder Verteilnetzbetreiber (VNB) muss die damit verbundenen Prozesse beherrschen, weil die Aufga- ben der Rollen MSB und MDL per Grundversorgungspflicht auf ihn zurückfallen, wenn der Kunde keinen Dritten mit der Aus- übung beauftragt. Seit Anfang 2010 müssen Netzbetreiber elek- tronische Energiezähler in Neubauten und bei Renovierungen einbauen. Gemäß § 40 EnWG, hat jeder Anschlussnutzer das Recht von seinem Energielieferanten eine halbjährliche, vier- teljährliche oder sogar monatliche Abrechnung der tatsächlich bezogenen Energiemenge zu verlangen. Ab Dezember 2010 müssen Energievertriebe zusätzlich zeit- und lastgangvariable Tarife anbieten. Das ist mit einer manuellen Zählerstandser- fassung durch Ableser oder Kunden nur schwerlich darstellbar. Dies erfordert die intelligente, automatisierte Messung – Smart Metering.

Mit der Basislösung wird zu kurz gesprungen

Smart Metering kommt mit Riesenschritten, aber viele Unter- nehmen der Energiewirtschaft zaudern nach wie vor, sich der Herausforderung mit dem nötigen aktiven Engagement zu stellen. Zwar existiert eine Reihe von Pilotprojekten, aber im Verhältnis zur Gesamtzahl der Unternehmen handelt es sich bisher nur um eine Minderheit. Über wirklich variable Tarife, die über die seit langem bekannten HT/NT-Tarife hinausgehen, wird ebenfalls nur vereinzelt nachgedacht. Mit den elektronischen Zählern, die heute eingebaut werden müssen, erfüllen die Netzbetreiber nur die aktuellen gesetzlichen Mindestanforde- rungen. Smart darf sich ein elektronischer Zähler erst nennen, wenn er über eine Kommunikationseinheit für den automati- sierten Austausch von Mess- und Tarifdaten mit einer Zentrale verbunden ist. Mit der Beschränkung auf die Basislösung wird also ebenfalls zu kurz gesprungen. Schon mit der Einführung variabler Tarife sie dies nicht mehr genügen, weil dann liefe- rantenspezifische Tarifinformationen zur Messeinrichtung über- tragen und dort verarbeitet werden müssen.

Durch das Warten haben viele Unternehmen schon wertvolle Zeit verloren. Die zögernde Haltung war im vergangenen Jahr sicherlich rechtlichen und technischen Unsicherheiten geschul- det. Mittlerweile hat die Bundesnetzagentur die Aufgaben der MSB und MDL präzisiert und die weitere Entwicklung skizziert. Auch die Technik ist greifbarer geworden. Spätestens jetzt ist es für die Unternehmen, die auch zukünftig eine aktive, erfolg- reiche Rolle am Markt einnehmen wollen, an der Zeit, eigene Erfahrungen mit Smart Metering zu machen und ein Pilotprojekt zu starten. Nachdem 2010 der operative Startschuss gefallen ist, wird die Entwicklung in nächster Zeit rasant an Fahrt auf- nehmen.

Viele Piloten, die frühzeitig aufgesetzt wurden, sind stark ver- zögert, weil die Komplexität der Kommunikation, des Zusam- menführens der Komponenten und des Rollouts unterschätzt wurde. Für die Unternehmen sind jedoch die gewonnenen Er- kenntnisse und Erfahrungen unersetzlich und höchst wertvoll. Fehler, die man sonst später unter höherem Zeitdruck bei einem flächendeckenden Einbau von Smart Metern aufgrund von In- formations- oder Wissenslücken macht, würden im Vergleich dazu ein Vielfaches kosten.

Durch Projektkooperationen lassen sich Kosten und Risiken verteilen

Da Netzbetreiber die Kosten für den Einbau von Smart Metern in ihrer regulierten Kalkulation nicht geltend machen können, ist die Kostensituation zweifellos nach wie vor schwierig. Es wäre wünschenswert, dass die Bundesnetzagentur dort, wo es tat- sächlich um intelligente Messgeräte geht, einen größeren finan- ziellen Spielraum gewährt. Schließlich ist es erklärter politischer Wille, die Energieeffizienz bei den Verbrauchern zu verbessern und die Stromproduktion mittels Integration dezentraler rege- nerativer Erzeugungsanlagen umzustellen. Smart Meter ermög- lichen die notwendige Transparenz und bilden die Basis für den erforderlichen Datenaustausch im Smart Grid. Doch auch in der bestehenden Situation lässt sich die Kostenproblematik beherr- schen: Pilotprojekte in Projektkooperationen beispielsweise sind ein Weg, Kosten und Risiken auf mehrere Schultern zu verteilen und trotzdem umfänglich Erfahrungen zu sammeln.

Was ist bei einem Smart-Metering-Projekt zu beachten, damit es erfolgreich wird? Grundsätzlich ist es notwendig, sich vorab über die Anforderungen an Messstellenbetrieb und -dienstleistung und deren Positionierung im Unternehmen Klarheit zu verschaffen: Wo soll die Rolle angesiedelt sein, und welche Leistungen sollen abgedeckt werden? Hierbei ist insbesondere auch der Vertrieb gefordert, der sich später auf Basis intelligenter Zähler mit attraktiven Tarifprodukten und Services Wettbewerbsvorteile verschaffen kann. Auf Basis dieser Anforderungen und unter Einbeziehung aller Kompetenzen im Unternehmen sowie unter Beachtung der geforderten Rollentrennung muss entschieden werden, welcher Weg bei der Einführung von Smart Metering gewählt wird, denn Smart Metering ist kein rein technisches Thema.

Es genügt nicht, dass einzelne Fachabteilungen sich mit Smart Metering befassen, sondern es ist ein interdisziplinärer Ansatz gefragt. Der Vertrieb kann die Augen vor dem Thema nicht verschließen, denn er muss attraktive zeit- und lastvariable Tarife entwickeln und über das Smart Metering erfassen kön- nen. Damit steht er im Wettbewerb mit anderen Anbietern, die das vielleicht besser können. Komplexe Produkte lassen sich nur abbilden und erfolgreich vermarkten, wenn eine leistungs- fähige Messdienstleistung existiert. Die Energieabrechnung sollte eingebunden werden, da die Abrechnungsverfahren sich mit Smart Metering und den neuen Tarifen ändern werden. Weil Smart Metering ein stark IT-lastiges Thema ist (zum Beispiel IP-Kommunikation), sollte frühzeitig die eigene IT-Abteilung eingeschaltet werden. Es genügt jedenfalls nicht, dass die Anforderungen an Messstellenbetrieb und Messdienstleistung nur aus dem eingeschränkten Blickwinkel der eigenen Marktrolle betrachtet werden. Wichtig ist ein umfassendes Verständnis der Prozesse und der damit verbundenen Anforderungen. Dieses Wissen ist selbst dann unabdingbar, wenn die Aufgaben des MSB und MDL später von einem externen Dienstleister erbracht werden sollen. Ohne eigene Sachkenntnis könnte der Verteil- netzbetreiber, aber auch der Vertrieb, diesen Dienstleister gar nicht detailliert beauftragen und kontrollieren.

Ein gesamtstrategisches Konzept und profunde Kenntnis der Marktmechanismen sind folglich unabdingbare Voraussetzungen für eine klare Zielorientierung – auch schon für ein Pilotprojekt. Ohne diese Hausaufgaben vollständig gelöst zu haben, sollte man nicht in eine wie auch immer geartete technische Lösung einsteigen.

Systemseitig geht es nicht nur darum, die Smart-Metering-Hardware zu konfigurieren und zu implementieren. Genau so wichtig ist es, in der jeweiligen Marktrolle Daten und Informa- tionen zu erfassen, zu verwalten und sie mit den Marktpartnern frist- und formatkonform auszutauschen – und zwar möglichst automatisiert.

Auf Interoperabilität und technische Nachhaltigkeit achten

Bei der Technikwahl sollte man keinesfalls auf eine proprietäre Lösung setzen. Das heißt, insbesondere die Kommunikations- protokolle sollten offen und nicht mit Lizenzen oder sonstigen Restriktionen belegt sein. Weiter ist auf die Interoperabilität der Komponenten, insbesondere der Meter-Datamanagement-Zentrale zu achten, damit verschiedene Geräte unterschied- licher Hersteller problemlos eingesetzt werden können. Und dies auf möglichst lange Sicht, obwohl zukünftige Anforderungen (Gesetze/Verordnungen, Markt) an das Gesamtsystem kaum absehbar sind. Wenn man heutige Eichzyklen von acht bzw. 16 Jahren - und damit eine entsprechende Mindesteinsatzzeit - zu- grunde legt, bedeutet der kompatible Betrieb von IKT-Techno- logie über einen derart langen Zeitraum bei den in diesem Be- reich üblichen Innovationszyklen eine große Herausforderung. Mit Blick auf den Aufbau und Betrieb von Smart Grids sollten Smart-Meter-Systeme auf jeden Fall auch in der Lage sein, In- formationen vom Verteilnetzbetreiber oder Vertrieb entgegen- zunehmen und zur Steuerung an Verbrauchsgeräte und dezen- trale Einspeisungen weiter zu leiten.

Eine elementare Frage betrifft den Datenaustausch zwischen Gateway (z. B. Multi-Utility-Controller / MUC)) und der Daten- zentrale. Denn die Kommunikation stellt neben der Anschaffung der Geräte den größten Kostenblock dar. Hier kommt es auf eine dauerhafte und störungsfreie Verbindung an. Die heute verfügbaren technischen Möglichkeiten, beispielsweise Mobil- funktechnologie, Powerline Comunication, Internetkommuni- kation (z. B. über den DSL-Kundenanschluss), haben ihre speziellen technischen und kostenmäßigen Vor- und Nachteile. Ideal wäre zum Beispiel, jedem Gateway eine eigene feste IP- Adresse zuzuweisen, um die angeschlossenen Geräte jederzeit restriktionsfrei ansprechen zu können. Dies ist allerdings mit der heute üblicherweise vorhandenen IPv4-Technologie nicht machbar.

Für die Datenkommunikation höchst bedeutsam sind ferner die Aspekte Verschlüsselung und Signatur. Mit einer geeigneten Verschlüsselung muss dafür Sorge getragen werden, dass die Daten nicht in fremde Hände gelangen können und Missbrauch ausgeschlossen ist. Mit Signaturen ist zu gewährleisten, dass Herkunft und Integrität der ausgetauschten Daten geprüft und nachgewiesen werden können – dies gilt im Übrigen für beide Übertragungsrichtungen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Skalierbarkeit der Lösung, das heißt, sie muss im Piloten mit einer zunächst überschauba- ren Zahl von intelligenten Zählern funktionieren, sollte aber für den flächendeckenden Einsatz geeignet sein. Zu den zentralen Herausforderungen zählt hier zweifellos das Bewältigen der künftig enorm wachsenden Datenmengen. Der Leistungsfähig- keit (Durchsatz, Automatisierung), Flexibilität und Stabilität der Datenzentrale als zentraler Baustein des Smart-Meter-Systems kommt deshalb eine besondere Bedeutung bei.

Weitestgehende Prozessautomatisierung erforderlich

Da die Messdienstleistung in einem sehr engen Kostenrahmen erbracht werden muss, spielen die Zuverlässigkeit der Kom- ponenten und Übertragungswege sowie eine weitestgehende Prozessautomatisierung eine entscheidende Rolle. Dies muss bereits im Piloten beachtet und bewertet werden, damit die manuellen Eingriffe bei einem späteren flächendeckenden Ein- satz nicht zum Problem werden. Eine beispielhafte Abschät- zung verdeutlicht dies: Wenn bei 100.000 Zählern mit täglicher Datenübertragung in nur 0,1 % der Fälle die automatische Übermittlung oder Bearbeitung gestört ist, fällt für die Behebung pro Tag ein Aufwand von ca. acht Stunden an. Hierbei wird unterstellt, dass 95 % der Störungen in der Zentrale mit einem Zeitaufwand von jeweils ca. zwei Minuten beseitigt werden können (z. B. Initialisierung der Kommunikation, Datennach- forderung) und dass in 5 % der Fälle eine Entstörung vor Ort mit einem Zeitaufwand von ca. einer Stunde erforderlich ist.

Erfahrene Beratungshäuser und Systemanbieter bieten Ener- giedienstleistern wertvolle Unterstützung auf dem Weg in die smarte Energiewelt. Beim strategischen Einstieg, bei der Um- setzung von Projekten und bei der Erfahrungsauswertung ist externe Expertise in der Regel unverzichtbar.

Fazit: Smart-Metering-Projekte sollten nicht länger auf die Wartebank geschoben werden. Der Handlungsdruck ist offen- kundig und wird sich in nächster Zeit deutlich verstärken. Regelwerk und technische Standards sind vorhanden bzw. beginnen sich zu etablieren. Gemeinschaftliche Pilotprojekte reduzieren die Kostenlast und ermöglichen den unverzichtbaren eigenen Erfahrungsaufbau. Aus der Pflicht, heute elektronische Zähler einzubauen, sollten die Netzbetreiber und Vertriebe eine Kür machen, indem sie Kunden dafür begeistern, gemeinsam schon heute weitere Schritte in Richtung Smart Metering zu gehen. Man kann heute noch kein Geld mit Smart Metering verdienen. Aber man kann mit Pilotprojekten das langfristige unternehmerische Risiko minimieren, indem man jetzt über Strategien und Ziele nachdenkt, sich mit den Technologien und ihrem Betrieb vertraut macht und damit die Grundlage für weitere Entscheidungen hinsichtlich der eigenen Marktpositio- nierung legt.

Autoren:
Christoph Bach, Prokurist Soptim AG, Aachen
Andreas Duve, Geschäftsführer sbc soptim business consult GmbH, Essen

www.soptim.de
www.soptimbc.de

Erschienen in ET - Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Heft 08/2010