Glossen

Einführung in die Kunst des subversiven Argumentierens

Über Fake News und echte Wahrheiten haben wir an dieser Stelle vor einigen Wochen schon einmal sinniert. 2010, als man von solchen Diskussionen noch nichts ahnen konnte, hatte der Comedian Olaf Schubert einen Witz im Programm, der zu einem interessanten Brückenschlag in die Gegenwart animiert: Ohne dies zu beabsichtigen, stellte er eine Argumentationsmethode vor, mit dem man Dinge ultimativ in Frage stellen kann. O-Ton Schubert: "Die Beweislage zur Existenz Außerirdischer ist sehr unklar. Es gibt auf der einen Seite Fotos, wo Außerirdische drauf sind. Aber die beweisen ja nicht, dass es sie gibt. Denn die Fotos können ja gefälscht sein. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele Fotos, wo keine Außerirdischen drauf sind, die können aber auch gefälscht sein. Die beweisen ja nicht, dass es sie nicht gibt."

Herrlich! Wenden wir die Technik gleich mal auf ein ähnliches Beispiel an: Es gibt Menschen, die behaupten, es gebe den Yeti, weil sie ihm schon mal begegnet sind oder wenigstens seine Fußspuren im Schnee gesehen haben. Muss aber nichts heißen, denn beim Bergsteigen in dünner Luft kann man schon mal halluzinieren. Dann gibt es Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass es den Yeti nicht gibt. Die können aber genauso falsch liegen, weil sie meist noch nicht einmal im Himalaya waren.
Im Falle der Existenz von Außerirdischen, Yetis, Weihnachtsmann, Osterhase, Ungeheuer von Loch Ness usw. ist diese Dialektik zumindest lustig. Auf ernsthafte Themen angewendet, offenbart sich jedoch die perfide Seite der Argumentationstechnik. Einfach These und Antithese in Frage stellen - schon ist es um die Wahrheit geschehen. Ein Beispiel:

Es gibt Studien, die beweisen, dass der Treibhauseffekt menschengemacht ist. Aber das muss nichts bedeuten, denn die Ergebnisse könnten ja durch Klimamodellfehler oder Messungenauigkeiten verfälscht worden sein. Andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Erderwärmung im Bereich normaler erdgeschichtlicher Klimaschwankungen liegt. Diese Studien können aber ebenso falsch sein. Sie beweisen somit nicht, dass der Mensch dafür nicht verantwortlich ist.
Indem man sowohl die gängige Lehrmeinung als auch die Außenseiterposition in Frage stellt, werden Tatsachen diskreditiert und verleugnet, während die Unwahrheit als denkbare Option hoffähig wird. Wo immer diese Argumentationstechnik Anwendung findet, hat die Gewissheit ausgedient. Alles schwankt und schwimmt und schlingert. Kommt einem irgendwie bekannt vor. Ein Trumpeter aus den USA, der aktuell auf der Weltbühne Furore macht, spielt ganz ähnliche Partituren.

Man kann das Spielchen in abgewandelter Form mit fast allem und jedem machen. Bisweilen mag subversives Argumentieren aber auch zum Nachdenken anregen und bei der eigenen Standortbestimmung helfen. Ein naheliegendes Beispiel gefällig? Bei SOPTIM herrscht einhellig die Überzeugung vor, dass die Digitalisierung disruptiv wirkt und alles, wirklich alles auf den Kopf stellen wird. Was nicht stimmen muss, denn wir könnten ja wahlweise übertreiben, etwas übersehen oder Fehleinschätzungen unterliegen. In manchen anderen Unternehmen andererseits gibt es Menschen, die sagen, es werde schon alles nicht so schlimm werden mit der Digitalisierung (Lebensmotto: "Et hätt noch immer joot jejange"). Das muss aber auch nicht richtig sein, denn diese Menschen könnten bewusst abwiegeln, etwas übersehen oder Fehleinschätzungen aufsitzen. Interessant ist es nun, auszuloten, wo die Wahrheit liegt. In der Mitte? Das mag ein jeder für sich selbst entscheiden. Wir jedenfalls glauben es nicht.

Für SOPTIM AG, Juli 2017

Fake News – SOPTIM macht mit!?

Alle Welt redet von Fake News. Darunter sind im Grunde Nachrichten zu verstehen, die nicht oder nur teilweise der Wahrheit entsprechen, aber als Fakten verkauft werden. Man könnte Fake News also als Bruder des Aprilscherzes begreifen. Ein Komiker ist dieser freilich ganz und gar nicht, seine Intention ist eine ganz andere. Fake News werden von Urhebern und willfährigen Anhängern nämlich als "alternative Fakten" verstanden. Verbreitet werden sie vorrangig in sozialen Medien von Menschen mit einer sehr eigenen Sicht auf die Dinge. Ihr Ziel ist die Manipulation anderer. Der neue US-Präsident Donald Trump etwa hat sich den Weg ins Amt nicht zuletzt mit schrillem Gezwitscher geebnet. Das prominente Beispiel legt den Schluss nahe: Fake News sind heute ein legitimes Mittel zum Erreichen von Zielen. Wer sich dessen nicht bedient, bleibt auf der Strecke und ist der Dumme.

Wollen wir der Dumme sein? Ganz und gar nicht! SOPTIM hat den Anspruch, als Digital Transformer im Energiemarkt an der Spitze der Bewegung zu marschieren. Deshalb haben wir unseren Wertekatalog neu justiert und beschlossen, ab heute ebenfalls Fake News zu verbreiten. Los geht's!

SOPTIM wird Hoflieferant beim Kaiser von China
Bei seinem Besuch im Reich der Mitte Ende letzten Jahres traf SOPTIM-Geschäftsführer Andreas Duve hochrangige Vertreter der chinesischen Energiewirtschaft. Als besonders fruchtbar entpuppte sich der Kontakt mit einem Generalbevollmächtigtem, der sich als Nachfahre der Ming-Dynastie zu erkennen gab. Er war von den technischen Möglichkeiten der SOPTIM Energy Suite so begeistert, dass er unsere Firma spontan auf Lebenszeit zum alleinigen Softwarelieferanten ernannte.

SOPTIM kommuniziert nur noch digital
Digitalisierung wirkt, das ist inzwischen allgemein bekannt, disruptiv. In diesem Sinne tritt der SOPTIM-Vorstand beim Wandel zum Digital Transformer nun mächtig aufs Gaspedal. Fortan ist der Austausch SOPTIM-intern und mit Kunden im Bereich der non-visuellen Kommunikation nur noch digital, vorzugsweise über soziale Medien erlaubt. Die ersten Erfahrungen mit der digitalen Verständigung seien so erfolgreich gewesen, dass man nun rigoros komplett umsattle. Wer beim Anfertigen handschriftlicher Notizen, Briefen usw. erwischt werde, müsse in einem Change-Management-Seminar nachsitzen, bei wiederholter Zuwiderhandlung drohe eine Abmahnung. "Nachhaltigkeit wird bei uns seit jeher großgeschrieben", begründet der Vorstand das strenge Regime.

SOPTIM steigert die Zahl der Zweigstellen dramatisch
Um im Zuge der Digitalisierung der Energiewirtschaft den Kundenkontakt zusätzlich abzusichern, hat der SOPTIM-Vorstand beschlossen, bei jedem Kunden eine Zweigstelle zu gründen. "Am Ende des Tages geht eben doch nichts über den unmittelbar persönlichen Draht zum Kunden", begründet SOPTIM-Vertriebsleiter Hubertus Lemken die neue duale Customer-Interaction-Strategie. "Im Zeitalter der Energiewende wollen und müssen wir außerdem unsere eigene Wendigkeit unter Beweis stellen." Die SOPTIM-Firmenzentrale in Aachen werde im Zuge der Dezentralisierungsstrategie entsprechend verkleinert.

Das alles glauben Sie nicht? Klar, das sind keine postfaktischen Nachrichten, sondern ganz offensichtlich frei erfundene Phantasiegeschichten. Niemand bei SOPTIM käme auch nur ansatzweise auf die Idee, hinterlistige Fake News gut zu finden, geschweige denn solche zu verbreiten. Lügen haben kurze Beine, man kommt am Ende nicht weit damit. Dass dies auch für jene Poltergeister zutreffen möge, die aktuell Unwahrheiten zu alternativen Fakten umdeuten, ist zu hoffen. SOPTIM jedenfalls bleibt auf dem Pfad der Tugend und der Wahrhaftigkeit verpflichtet! Den kleinen "Täuschungsversuch" an dieser Stelle möge man uns verzeihen. Rheinischen Frohnaturen wie uns macht es halt Spaß, Mitmenschen nicht nur am 01.04. in den April zu schicken.

Für SOPTIM AG, Januar 2017

Was WHO, Schuhindustrie und Stadtwerke verbindet

Zugegeben, dass mein Sohn seinen ersten Pokémon vor der Tür zu meinem Home Office fing, fand ich schon irritierend. Es nährte einen keineswegs abwegigen Verdacht: Dass sinistere Mächte mittels virtueller Tierchen mein Privatleben auszuspionieren versuchen. Warum hatte sich "Bisasam" ausgerechnet bei mir eingenistet, auf einem ehemaligen Bauernhof, abseits vom Weltgeschehen?

Es gab ja viel Kritik an dem Spiel. Viele Firmen und Organisationen haben verboten, dass man bei ihnen Pokémons jagt. Ein Bürgermeister einer 800-Seelen-Gemeinde im Süden Frankreichs machte Schlagzeilen, weil er die Benutzung der App im Ort pauschal untersagte. Die Medien sind voll von Geschichten über Personen, die sich bei der Pokémon-Jagd in Gefahr gebracht haben. So soll eine Gruppe Spieler beispielsweise ein seltenes Exemplar in einem militärischen Sperrgelände gefunden und in eine Übung mit scharfer Munition gestolpert sein. Etliche andere Spieler gerieten Presseberichten zufolge in Konflikt mit Hausbesitzern, die diese für Einbrecher hielten. Und in den USA soll ein Mann mitten auf dem Highway in voller Fahrt sein Auto gewendet haben, weil auf der anderen Straßenseite ein Pokémon saß.

Für die betroffenen Personen ist all das natürlich gefährlich und im Schadensfall bedauerlich. Aber was unterscheidet die neuen Bewegungsfreaks von Joggern und Bikern, die (gern mit Kopfhörern unterwegs) bisweilen ebenso stolpern, fallen und mit Gegenständen kollidieren? Eigentlich nichts. Bis auf den Umstand, dass über Letztgenannte so gut wie nie berichtet wird.

Das halte ich für unfair. Denn wenn man das große Ganze analysiert, kommt man zu überaus positiven Schlüssen: Pokémon Go ist das größte körperliche Fitnessprogramm der Menschheitsgeschichte. Rund 500 Millionen Personen wurden weltweit schon hinter ihrem Schreibtisch, vom Sofa oder sonstigen bequemen Orten hervorgeholt. Insbesondere Nerds tun etwas, was sie sonst komplett vernachlässigen: Laufen, sich bewegen, frische Luft schnappen. Bin gespannt, ob die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sich outet, die Entwicklung des Spiels in Auftrag gegeben zu haben.

A propos Bewegungsdrang: Im Gegensatz zu Fitness-Trackern hat Pokémon Go keinen Schrittzähler. Welch ein Segen! Die kleinen Tyrannen am Handgelenk mit ihren Mindestschrittvorgaben bescheren ihren Trägern permanenten Leistungsstress und allzu oft ein schlechtes Gewissen. So kann das mit der Fitness nichts werden! Nur intrinsische Motivation ist nachhaltig, weiß die Wissenschaft. Wie auch bei Pokémon Go: Der Impuls, sich zu bewegen, wird aus einem uralten menschlichen Bedürfnis gespeist: dem Sammel- und Jagdtrieb.

Körperliche Aktivität ist übrigens nicht der einzige Nutzen des Spiels. Wenn man für jede Pokémon-Jagd konservativ 2000 Schritte unterstellt, landet man beim Multiplizieren schnell im Multi-Billionen-Schritte-Bereich. Was die globale Laufleistung für das Schuhwerk bedeutet, leuchtet sogar Phantasiemuffeln ein: Abrieb ohne Ende! Pokémon Go ist also auch ein gewaltiges Konjunkturprogramm für die Schuhindustrie. Steckt sie insgeheim hinter dem Spiel?

Eigentlich soll ich an dieser Stelle ja im weitesten Sinne über Energieversorgung räsonieren. Was also verbindet Pokémon Go mit Strom, Gas und Wärme? Ganz einfach: Etliche Stadtwerke nutzen Pokémon Go als Kundenkontakt- und Kundenbindungsinstrument. Die Wuppertaler Stadtwerke, die Stadtwerke Gütersloh, die Stadtwerke Erfurt Gruppe oder die Stadtwerke Geesthacht - um nur einige Beispiele zu nennen - haben Aktionen durchgeführt, um selbst Pokémon-Jäger anzulocken. Da sage noch einer, unsere Energieversorger liefen den Trends hinterher!

Kritik an Pokémon? Halte ich für einen typischen Miesepeter-Reflex unserer Gesellschaft. Obwohl ich schon ganz gerne wüsste, was "Bisasam" vor meinem Büro verloren hatte.

Für SOPTIM AG, September 2016

Gedanken über das „Gesetz zur Verfingerung des Energiedrehs“

Welche Botschaft unsere Sprache transportiert, ist oft nicht klar. Versteckte Signale lassen sich bekanntlich in vielen Formulierungen entdecken. Man muss nur gewissenhaft suchen. Im aktuellen Buzzword "Digitalisierung" zum Beispiel. Das Adjektiv "digital" stammt von "digitus" ab. Das ist lateinisch und bedeutet Finger. Also könnte man das "Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende" etymologisch reduziert auch als "Gesetz zur Verfingerung der Energiewende" bezeichnen. Das klingt merkwürdig, lässt aber plausible Assoziationen zu: Könnte "Verfingerung" nicht bedeuten, dass zu viele verschiedene Hände an der Energiewende herumfummeln? Das würde zumindest erklären, warum die Gesetzgebung so lange dauert und die Energiewende im Klein-Klein stecken bleibt. Letzteres behaupten ja manche Menschen. Wenn man andererseits nur einen Buchstaben aus unserem Ersatzwort streicht, landet man beim "Gesetz zur Veringerung der Energiewende". Zwar entstellt ein Rechtschreibfehler den neuen Terminus, trotzdem wird er nicht nur von Verschwörungstheoretikern sofort verstanden: Das nämliche Gesetz will die Energiewende verhindern! Es macht die Dinge sehr kompliziert, damit alle verwirrt kapitulieren.

Wie sieht das mit "Energiewende" aus? Der Begriff ist ja jener denkwürdigen Wende nachempfunden, die den gesellschaftspolitischen Wandel in der ehemaligen DDR auf dem Weg zur deutschen Einheit beschreibt. Trotzdem sei auch dieser Terminus auf die semantische Streckbank geschnallt. Das Verb "wenden" bedeutet streng genommen "umdrehen". Ersetzen wir also "Energiewende" durch "Energiedreh". Erneut lässt der Erkenntnisgewinn nicht lange auf sich warten. Ein Stück Kohle oder Holz im Kamin kann man drehen, damit es besser brennt. Zugegeben, bei Strom, Gas und Wärme lässt sich der Sinn des Umdrehens oder Wendens nicht direkt erkennen. Obwohl - steigert gut durchgewirbeltes Gas nicht die Leistung von Brennern? Allgemein lässt sich also trotz kleinen Beweislücken behaupten: Gedrehte Energie brennt besser, ihr Verbrauch steigt.

Was also steckt hinter dem "Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende"? Bei illuminierter Betrachtung scheinbar exakt das Gegenteil dessen, was es vorgibt zu sein: ein Gesetz zur Steigerung des Energieverbrauchs.

"Stop", werden Logiker einwenden, "falsch geschlussfolgert." Doppelte Verneinung bedeutet Bejahung. Das "Gesetz zur Verfingerung des Energiedrehs" beschreibt sehr wohl sein ursprüngliches Ziel. Es soll die Menschen davon abhalten, mehr Energie zu verbrauchen - durch Verringerung des forcierten Bedarfs.

Okay, wenn das so ist, muss es mit der Energiewende ja auf jeden Fall klappen.

Für SOPTIM AG, April 2016

Die periodisch auftretende Jahresanfangskrankheit

Jedes Jahr von Anfang Januar bis Mitte Februar tritt bei einigen Menschen bei uns im Hause ein merkwürdiges Phänomen auf. Der Name dieser Erscheinung ließe vermuten, es handele sich um die spezielle Ausprägung einer Allerweltserkrankung. Doch die dabei üblicherweise auftretende erhöhte Körpertemperatur lässt sich bei Betroffenen meist nicht feststellen - es sei denn, eine handfeste Grippe vervollständigt das Krankheitsbild. Typische Symptome dieses zeitweise auftretenden Phänomens sind Schlaflosigkeit, Phantasieren und ein quasi autistisches Sozialverhalten.

Bei SOPTIM sind vorzugsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Marketing und Vertrieb betroffen. Die Schlaflosigkeit etwa ist daran zu erkennen, dass in manchen Büros bis spät abends noch Licht brennt. Irrtümlich versuchen diese Personen, die nötige Bettschwere mit dem Genuss von Kaffee herbeizuführen. Vermutlich verhindert die Schlaflosigkeit klare Gedanken und die Orientierung. Sie finden den Ausgang aus dem Büro einfach nicht mehr. Ein Teufelskreis ...

Die Verwirrung ist auch daran abzulesen, dass manche Kolleginnen und Kollegen merkwürdige Begriffe in den Raum brabbeln. "Ich brauche eine neue Head", zum Beispiel. "Einen neuen Head" würde ich ja noch verstehen. Denn, wie zu hören ist, scheint der vorhandene Kopf gerade nicht richtig zu funktionieren. Ein anderes Exempel: "Bauen wir einen Altarfalz." Was bitte hat ein Altar bei SOPTIM zu suchen? Job sollte Job bleiben und die Religionsausübung an gewohnter Stelle stattfinden. Sprachverwirrung, wohin man hört: "Wir müssen Leads generieren" - noch so ein Anglizismus bar jeden Sinns. Ich kenne die Lead-Gitarre, den Lead-Sänger oder auch den Agressive Leader im Fußball. Aber weder ist SOPTIM als Musikensemble bekannt noch als Sportverein. Und schon gar nicht wollen wir, dass bei uns im Haus ein Agressive Leader durch die Büros brüllt und die Mitarbeiter kirre macht. Die sind in der heißen Krankheitsphase doch ohnehin völlig durch den Wind. Ruhe und Entspannung bräuchten sie, das wäre zweifellos die richtige Therapie.

Ruhe würde auch der inneren Unruhe und allgemeinen Verspannung entgegenwirken, die in den ersten sechs Wochen des Jahres ebenfalls extrem ausgeprägt sind. Immer wenn ich in dieser Jahreszeit Kolleginnen oder Kollegen anrufe und ein japsendes "Istgeradeschlechtkannichdichzurückrufen" als Antwort erhalte, weiß ich: Die oder den hat's auch erwischt! Der Rückruf bleibt natürlich aus. Sucht man später nochmals den Kontakt, heißt es: "Sorry, hab ich total verschwitzt. Können wir einen neuen Termin machen?" Wenn man Pech hat, beginnt das Spielchen beim nächsten Anlauf von vorn. Besucht man Betroffene im Büro, kann es vorkommen, dass man komplett ignoriert wird. Vernünftige Gespräche sind kaum möglich. Man kommt an die Leute einfach nicht ran, sie haben sich mental in ihrer eigenen Welt eingebunkert.

Immerhin: Ernsthafte Sorgen braucht man sich um die Patienten nicht zu machen. Das Phänomen endet so sicher, wie das Amen in der Kirche erklingt. Mitte Februar nämlich, jeweils punktgenau an einem Donnerstagabend, verflüchtigt sich die Influenza schlagartig.

Die Krankheit heißt - Sie werden es längst erraten haben - E-world-Fieber.

PS: Die ärztliche Schweigepflicht verbietet die namentliche Erwähnung der Patienten.

Für SOPTIM AG, Januar 2016

Geschäftsidee zur digitalen Konterrevolution

Kennen Sie die "Höhle der Löwen"? Das ist eine Art Casting-Show im TV, bei der Menschen, die innovative Produkten und Services entwickelt haben, Investoren suchen. Dort werde ich mich bald bewerben, ich habe nämlich auch eine Geschäftsidee. Und wenn die Juroren/Investoren einigermaßen bei Verstand sind, werden sie mir begeistert ein paar Milliönchen für den Aufbau meiner Firma zur Verfügung stellen.

Und darum geht's: Ich glaube, das Ende der IT ist gekommen. Gut, das ist vielleicht etwas zu plakativ formuliert. Aber sicherlich das Ende der IT-Nutzung, wie wir sie heute kennen. Denn so, wie es im Moment läuft mit Internet und Datenkommunikation, kann es nicht weitergehen. Nichts, aber auch gar nichts ist mehr sicher vor Hackern und digitalen Dunkelmännern. Den ultimativen Beweis dafür lieferten unlängst zwei Vorfälle, die bislang außerhalb meiner Vorstellungskraft lagen: Kaspersky, einer der renommiertesten Player im Bereich der Sicherheitssoftware, wurde selbst gehackt. Gleiches passierte dem US-Anbieter Fireeye.

Wenn Hacker es schaffen, sogar in die Systeme der besten IT-Sicherheitsexperten einzudringen - wie leicht muss es ihnen dann erst bei unsereinem gelingen? Es ist wie im bekannten Märchen: Der redliche Hase kann sich beim Schützen seiner Daten abstrampeln, wie er will: Der listige Igel entdeckt unentwegt neue Schlupflöcher. Wie endet noch gleich das Märchen? Beim 74. Rennen bricht der Hase erschöpft zusammen und stirbt.

Was das mit meiner Geschäftsidee zu tun hat? Na ja, bekanntlich folgt auf jede Revolution eine Gegenrevolution. Und nach der digitalen Revolution werden wir eine analoge Gegenbewegung erleben. Das wird zumindest im Umgang mit geschäftlich relevanten und hochvertraulichen Daten so sein. Man wird sie physikalisch unter eine Käseglocke stellen und jegliche Verbindung zum Internet kappen. Stellt sich die Frage, wie man dann noch Daten austauscht?

Genau hier kommt meine zukünftige Firma ins Spiel. Ich gründe ein Kurierunternehmen für Datentransporte. Prinzipiell muss man sich das so vorstellen wie beim Geldtransport. Nur werden hier Datenträger mit wichtigen Dokumenten und Informationen von A nach B gebracht. Da Datendiebe nicht auf der Straße lauern, sondern eher als frustrierte Nerds irgendwo in dunklen Kellern hausen, muss man keine gepanzerten Fahrzeuge verwenden. Unauffällige Transporter, die als Klempner- oder Bäckerbetrieb getarnt sind, tun es auch. Wichtig ist natürlich, dass die Kuriere sich möglichst schnell fortbewegen können. Deshalb denke ich auch über den Einsatz von Motorrädern nach. Für den Transport der Datenträger würden spezielle Boxen benötigt, ganz ähnlich jenen Behältnissen, mit denen Kinos heutzutage ihre Filmkopien erhalten. Nur müssten diese Boxen so konzipiert sein, dass sie sich im Falle eines Unfalls oder Diebstahls selbst zerstören. Denn die Daten sollen ja keinesfalls in fremde Hände fallen. Mein Onkel ist Mechatroniker und auch sonst ein großer Tüftler, er würde sich da etwas ausdenken, hat er gesagt. Hatte ich erwähnt, dass er Mitgesellschafter der neuen Firma ist?

Natürlich werden auch normale Kurierdienste und das Taxigewerbe auf dieses Geschäftsfeld schielen. Aber erstens wären wir früher dran als die Konkurrenz und zweitens hätten wir das Patent auf die sich im Gefahrenfall selbst zerstörende Box. Außerdem überlege ich, den Datenkurier wegen seiner speziellen Anforderungen zum Ausbildungsberuf zu machen, damit wir in jeder Hinsicht einen qualitativ hochwertigen Service bieten können. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, spezifische Ausbildungsinhalte und Lernmittel zu entwickeln - streng analog versteht sich - und eine eigene Akademie zu gründen.

Ausgefuchst, oder? Nun, man muss schon groß denken, wenn man ein großes Rad drehen will. Unter den fünf potenziellen Investoren in der "Die Höhle der Löwen" habe ich übrigens eine bestimmte männliche Person im Visier: Als CEO einer Venture-Capital-Gesellschaft finanziert und unterstützt der Mann technologie- und designgetriebene Gründer in der Seed- und Early-Stage-Phase (kann man bei Wikipedia nachlesen). Der Typ ist wie gemacht für mich: Wenn der meiner Idee von der digitalen Konterrevolution nicht folgen kann - wer dann?

Für SOPTIM AG, September 2015

Von Klingeltönen und dem Patellasehnenreflex

Auf der Messe, im Konferenzhotel, im Zug, in der Airport-Lounge und an andern Orten mit vielen Menschen - es passiert immer wieder: Irgendwo in meiner Umgebung läutet ein Mobiltelefon, und instinktiv fasse ich in meine Hosentasche, um mein eigenes Gerät zu greifen. Natürlich merke ich meist sofort, dass der Anruf nicht mir gilt, weil ja ein fremder Klingelton ertönt. Trotzdem, der Reflex funktioniert mit einer Unausweichlichkeit, die mich nervt. Bin ich ferngesteuert? Wo ist meine Selbstbestimmtheit in diesem Moment? Klar, oft klingen insbesondere Standardklingeltöne sehr ähnlich, manchen hat man vielleicht selbst schon benutzt. Die alte Konditionierung lässt sich halt nicht so einfach abschütteln. Das Phänomen mutet an wie die akustische Variante des Reflextestes beim Arzt, der mit einem Hämmerchen auf die Patellasehne unterhalb der Kniescheibe klopft. Wenn der Unterschenkel hochzuckt, ist mit dem Rückenmark alles in Ordnung. Auch ohne auf medizinisch-wissenschaftliche Forschungsergebnisse zurückgreifen zu können, lässt sich zum Handy-Greifreflex sagen: Er ist weit verbreitet und nicht schädlich. Man könnte sein Vorhandensein als absolute Kommunikationsbereitschaft deuten - eine ideale Disposition für den Beruf, den ich ausübe.

Trotzdem schmeckt mir nicht wirklich, diesem Reflex ausgeliefert zu sein. Habe deshalb schon erwogen, mir selbst einen möglichst exklusiven Klingelsound zuzulegen, der sich vom Einheitsgedudel komplett unterscheidet. Das Gitarrenriff von "Smoke on the water" oder die Eingangssequenz von "Hells Bells" beispielsweise könnte ich mir als Therapieprogramm vorstellen. Hohes Differenzierungspotenzial bietet auch markerschütterndes Sirenengeheul oder eine quäkende Kinderstimme, die mit zunehmender Lautstärke und Aggressivität ruft: "Papa, Telefon!" Beim Googeln nach lustigen Klingeltönen findet man noch ganz andere Möglichkeiten zur Individualisierung des eigenen Handys.

Von dieser Idee bin ich aber wieder abgerückt. Erstens kuriert dies nicht zwingend meinen Greifreflex beim Läuten fremder Telefone. Zweitens liegt es mir fern, unbekannten Menschen meinen Musikgeschmack oder sonstige persönliche Eigenarten zu verraten. Und drittens kann es speziell im Business-Umfeld peinlich werden: Viele Menschen leiden beim Umgang mit dem Handy nämlich nicht nur unter dem Greifreflex, sondern gelegentlich auch an Vergesslichkeit. Man stelle sich vor, sein Mobiltelefon vor Konferenzbeginn nicht auf stumm geschaltet zu haben und das Gerät im andächtig lauschenden Auditorium plötzlich in voller Laustärke losplärren zu hören: "An idiot is attempting to reach you on your cellular device." Eine ehrliche Botschaft wäre das, keine Frage, aber in dieser Situation selbst mit Humor kaum zu vermitteln. Da schwimme ich doch lieber im Klingel-Mainstream und nehme hin, dass meine Hand in manchen Situationen ein Eigenleben führt.

Für SOPTIM AG, Mai 2015

Die Kölsche Doktrin und das Aachener Gegenmanifest

Nichts gegen die Kölner. Sie sind die Erfinder einer der tröstlichsten Lebensweisheiten überhaupt: "Et hät noch immer jot jejange." Frei interpretiert: Don't worry, be happy. Tatsächlich lebt es sich um vieles leichter und gesünder, wenn man fünf auch mal gerade sein lässt, wenn man nicht immer ganz genau hinschaut, wenn man den Dingen ihren Lauf lässt, wenn man einfach seinem Schicksal vertraut.

Auch der Aachener - wie der Kölner der Karnevalstradition verbunden - ist kein Kind von Traurigkeit. Neben seiner RWTH und deren Studenten liebt er die Straßencafés, die schattigen Parks, die Kultur, die Thermalquelle, die Reiterei und Alemannia, wenn sie denn vernünftig spielt. Diese herrliche Stadt erzeugt jedenfalls kein Mikroklima für Pessimisten und Erbsenzähler. Insofern ist verwunderlich, was die SOPTIM AG nun getan hat, ein Unternehmen, wie es aachenerischer nicht sein könnte. SOPTIM hat einen Werbeslogan rausgehauen, der wie ein Gegenmanifest zur Kölschen Doktrin klingt: "Erfolg ist keine Glückssache!" Peng! Was sagt man dazu?

Bekannt ist: Bei SOPTIM arbeiten schlaue Köpfe, die werden sich etwas dabei gedacht haben. Die meinen das zweifellos ernst. Und tatsächlich, wenn man den Satz in den richtigen Kontext rückt, verliert er seine konterrevolutionäre Bedeutung. Er ist natürlich als Weckruf für Energieversorger gemeint, die in der Vergangenheit zu sehr dem Kölschen Gesetz vertraut haben. Viele Unternehmen sind heute knapp bei Kasse, weil sie nicht genau genug hingeschaut und nachgerechnet haben bei Absatzprognose, Angebotskalkulation und Deckungsbeitragsrechnung. Tja und jetzt kommt die SOPTIM AG mit ihrer famosen SE:Energy Suite und wirft ihnen damit quasi den Rettungsring zu. Das Happy End ist programmiert. "Anhaltender Applaus und umjubelter Abgang" könnte später in der Regieanweisung stehen. Ist ein solch verdienstvoller Auftritt nicht auch eine Nominierung für den Karlspreis wert?

Wir lernen: Der Aachener und insbesondere der SOPTIMER ist nicht nur lebensfroh und weltoffen, sondern auch edel, hilfreich und gut. Er liebt die Wahrheit, nur verpackt er sie manchmal so, dass man leicht auf abwegige Gedanken kommen kann.

Für SOPTIM AG, Januar 2015

Von den Weltmeistern lernen

Nachdem die deutschen Fußballer Weltmeister geworden waren, wurde viel über ihre Erfolgsformel geschrieben - übrigens nicht nur in den Sportressorts. Auch viele Wirtschaftsredaktionen machten sich Gedanken, was man denn von den Kickern lernen könnte. Einige Schlagworte etwa aus dem Handelsblatt gefällig? "Das Team ist alles - aber ohne einen starken Chef funktioniert es nicht." "Der Kopf entscheidet, nicht der Bauch." "Think big - aber bleibe gelassen dabei." "Kreiere eine Marke, und tue dann alles für sie." "Aus vorhandenen Ideen das Beste machen." "Keine Diven mitgenommen." Alles in allem eine beachtliche Ausbeute an mehr oder weniger selbstverständlichen Führungstipps.

Wirklich innovative Lerninhalte hingegen? Fehlanzeige. Dabei gibt es so viele nützliche und motivierende Anregungen! Zum Beispiel würde ich es begrüßen, wenn die ganze Belegschaft unserer Firma die Gelegenheit erhielte, Auftragserfolge in großer Runde ausgelassen zu bejubeln, gerne auch mit Spielerfrauen und -männern. Oder wie wäre es, sich am Ende des Arbeitstages innerhalb des Teams die Hand zu schütteln, sich gegenseitig zu beglückwünschen und zu bedanken? Das trägt zum Team-Building bei und wirkt motivationsfördernd. Trainingslager bzw. Meetings an exklusiven abgeschiedenen Orten und deren Ausstattung bedürfen nach den Erfahrungen mit dem Campo Bahia sicherlich einer Neubewertung. Witzige Selfies aus dem Büro in den sozialen Medien etwa helfen dabei, das eigene Unternehmen als coolen Arbeitgeber auszuweisen. Man könnte es auch zur Pflicht machen, beim Einlaufen ins Büro unsere Kinder an die Hand zu nehmen, damit Sie rechtzeitig mit dem Berufsleben in Kontakt kommen. Und für das in Brasilien berühmt gewordene "Freistoß-Spray" finden wir bei uns bestimmt auch noch eine sinnvolle Verwendung.

Natürlich darf nicht alles in die Firmenwelt kopiert werden, was die Fußballer uns vorgemacht haben. Ein gemeinsames Absingen der deutschen Nationalhymne zum Start in den Arbeitstag ist allein schon wegen der Gleitzeit nicht möglich. Ganz davon abgesehen, dass unser Team ja auch aus Mitgliedern besteht, die kraft ihrer Herkunft anderes Liedgut bevorzugen. Auf einen Trikottausch nach langem Arbeitstag hätte ich zum Beispiel nicht unbedingt Lust. Auch ist davor zu warnen, beim Kunden nach verweigerter Auftragserteilung aus Frust ins Foyer zu pinkeln. Schlicht unhöflich wäre es, den Fachpresseredakteur nach einer kritischen Frage mit "Wat woll'n Se?" anzublaffen. Schmähgesänge auf Wettbewerber à la "So geh'n die Gauchos" sollten - so gerne man sie manchmal anstimmen möchte - noch nicht mal im Verborgenen aufgeführt werden. Denn, auch das haben wir im Umfeld der WM gelernt: Eine Kamera ist heutzutage immer dabei, und ruckzuck steht der Dreh im Netz. Dann folgt meist ein Shitstorm. Und mit virtuellem Schmutz beworfen zu werden, ist mit das Letzte, was wir uns wünschen. Denn den kann man - im Gegensatz zu realem Dreck - wenn überhaupt, nur ganz schwer wieder abwaschen.

Für SOPTIM AG, September 2014

Es ist Wetter, also bin ich

Es gibt kaum ein Gesprächsthema, das dermaßen unterschätzt wird wie das Wetter. Viele rümpfen die Nase und denken vermutlich: Was Schlaueres fällt dem Idioten wohl nicht ein. Doch Hochmut ist völlig fehl am Platz. Seit unser Planet vor 4,55 Milliarden Jahren entstanden ist, gibt es hienieden Wetter, ohne Unterbrechung! Wetter ist immer und überall. Das ewige Über-das-Wetter-Reden hat also geradezu etwas Philosophisches. Das Wetter berührt das Herz der Dinge. Kaum etwas beeinflusst unser Leben so sehr wie das Wetter.

Zunächst zum Verständnis: Unter Wetter verstehen wir die launenhafte Abfolge von Sonnenschein, Bewölkung, Niederschlag, Wind, Hitze und Kälte. Laut Wikipedia ist Wetter im strengen physikalischen Sinn ein bestimmter Zustand an einem bestimmten Ort auf der Erdoberfläche, den die Parameter Gasdruck, Gasdichte und Gasgemisch vollständig determinieren. Das ist für die Beweisführung meiner These zwar belanglos, sei aber all jenen in Erinnerung gerufen, die Wetter als Banalität abtun, denn Wetter ist etwas Hochkomplexes. Und es lenkt unser Tun in vielfältiger Weise. Nicht immer direkt, wenn wir beispielsweise einen dickeren Pullover anziehen, eine Sonnenbrille aufsetzen oder den Regenschirm aufspannen. Oft geschieht dies mittelbar. Man muss nur etwas nachdenken, dann erschließen sich erstaunliche Zusammenhänge.

Man schaue sich beispielsweise meinen Berufsweg an. Das Wetter hat maßgeblich beeinflusst, dass ich heute das tue, was ich meinen Job nennen darf. Mein ursprüngliches Ziel, Lehrer zu werden, musste ich aufgeben, weil das gute Wetter mich vor dem Prüfungssemester an den Baggersee gezogen hatte statt an den Schreibtisch. Ersatzweise wurde ich Sportreporter, begrub meine neue Karriere aber, weil es mir im Winter auf dem Fußballplatz immer zu kalt war. Dass ich dann eine Stelle in einer süddeutschen Metropole annahm, hatte auch mit der Hoffnung zu tun, dort überwiegend blau-weißen Himmel anzutreffen. Weil aber so viele Menschen ebenso wie ich das gute Wetter suchten und all diese auch noch die dazu passende Wohnung, wurde mir das Leben im Süden irgendwann zu teuer und ich kehrte zurück ins letztlich auch sehr schöne NRW. Am Tag meines Vorstellungsgespräches bei SOPTIM schien übrigens die Sonne, was sich als gutes Omen erweisen sollte. Klar, oder? Diese Denkweise lässt sich übrigens auf fast alle kleinen und großen Ereignisse unseres Lebens übertragen. Probieren Sie es mal!

Vermutlich ist auch kaum jemandem klar, wie abhängig SOPTIM vom Wetter ist. Warum? Na ja, ohne Wetter brauchten die Energieversorger keine komplexen Verbrauchsprognosen und demzufolge keine ausgefeilte Software dafür! Ohne Wetter benötigten die EVU auch keine Software für Erzeugungsprognosen, Bilanzierung und Management von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen. Ohne Wetter wäre eine ganze Reihe von Softwareprodukten, die SOPTIM zum erfolgreichen IT-Dienstleister gemacht haben, gar nicht denkbar. Da rufe ich doch ein lautes „Hoch!“ auf das Wetter, welche Kapriolen es auch immer schlagen mag. Schließlich trägt es entscheidend dazu bei, dass SOPTIM mir meine Brötchen bezahlt. Ganz abgesehen davon, dass ohne den Mix aus Sonnenschein und Regenguss kein Getreide gedeihen würde, aus dem das Backwerk entsteht.

„Cogito ergo sum“, erkannte vor 380 Jahren der französische Philosoph René Descartes. „Ich denke, also bin ich“. Wenn er sich da mal nicht geirrt hat. Richtiger müsste es doch heißen: „Es ist Wetter, also bin ich.“ Oder wie der Lateiner sagen würde: „Caelum est, ergo sum.“

Für SOPTIM AG, April 2014

Imagepflegetipps für das globale Gedächtnis

Ist Ihnen eigentlich auch schon mal aufgefallen, dass  einem eine Autofahrt auf dem Heimweg meist kürzer vorkommt als auf der Hinfahrt? Vorausgesetzt natürlich, es gibt keine Staus, Umleitungen, Schleicher oder sonstige Hindernisse auf der Strecke. Unbewusst fährt man zurück schneller und macht weniger und/oder kürzere Pausen. Man will einfach so schnell wie möglich ins traute Heim, weil dort im Normalfall Behaglichkeit, Ruhe und Entspannung warten.

Neulich habe ich für meine These einen weiteren Beweis erhalten. Während der Heimfahrt sagte nämlich plötzlich die Navigations-App auf meinem Smartphone: „Achten Sie auf Ihre Geschwindigkeit!“ Schön, dachte ich im ersten Augenblick, dass mir jemand hilft, vor Blitzern verschont zu bleiben.

Doch das war nur ein kurzer naiver Impuls, rasch erwachte mein notorisches Misstrauen: Wenn die NSA alle im Netz vagabundierenden Daten speichert (woran ja immer weniger zu zweifeln ist) dann wurde auch mein zu schnelles Fahren registriert und auf einem fernen Server gespeichert, inklusive Ortsangabe, Geschwindigkeit und Tatzeitpunkt. Habe ich vielleicht mit meiner Navy-App meinen eigenen virtuellen Blitzer an Bord? Noch werden ja diese lächerlich altmodischen Starenkästen und Mülltonnen zum Blitzen benutzt. Wie lange noch? Die Polizei bräuchte doch nur ein wenig mit der NSA zusammenzuarbeiten. Der weltweit größte Geheimdienst hat vermutlich von allen Smartphone-Benutzern ein exaktes Bewegungsprofil. Womöglich ist es sogar egal, ob die Ortungsfunktion eingeschaltet ist oder nicht. Die Strafverfolgungsbehörden jedenfalls könnten auf diese Weise praktisch ohne jeden eigenen Aufwand ungleich mehr Strafzettel verschicken und immens viel Geld kassieren. Wenn es smart abliefe, würde der Strafzettel auch nicht mehr auf dem Postweg, sondern im Moment der Geschwindigkeitsüberschreitung direkt auf das jeweilige Smartphone gesendet. Utopie? Wir erleben doch ständig, dass selbst kühne Zukunftsphantasien von der Wirklichkeit überholt werden.

Datenschutz hin oder her: Es gibt in der Welt der Telefonie und des Internets offenbar keine Geheimnisse mehr. Immerhin scheint die NSA ausgespähtes Wissen, das nicht kriminellen oder terroristischen Plänen zuzuordnen ist, für sich zu behalten. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege: Warum sollte jemand Daten speichern, ohne sie nutzbringend anzuwenden?

Schätzungsweise 35.000 bis 55.000 Mitarbeiter arbeiten für die NSA. Haben die ein schlechtes Gewissen, dass sie das Leben anderer Leute ausspionieren? Vermutlich nicht. In den USA dürfen sie sich sogar als gute Patrioten fühlen, die Gefahren abwehren. In Europa aber ist das Ansehen der NSA komplett im Eimer. Was den NSA-Mitarbeitern und den Kontrollorganen allerdings herzlich egal sein dürfte. Und falls doch nicht?

Jedenfalls hätte ich eine Idee, wie die NSA ihr Image aufpolieren könnte. Neulich habe ich eine wichtige E-Mail an einen Geschäftspartner gesendet. Gestern wollte ich mir den Inhalt noch einmal anschauen, musste aber feststellen, dass die Mail nicht mehr existierte – weder auf meinem noch auf seinem Rechner. Hier könnte sich der größte aller großen Brüder doch wirklich auch für unsereinen mal nützlich machen.

Für SOPTIM AG, Dezember 2013

Die Energieversorger und der demografische Wandel

Erinnern Sie sich? Im letzten SOPTIM-Newsletter hatte ich spekuliert, dass der demografische Wandel in Deutschland vor allem damit zusammenhängt, dass die Stromversorgung in Deutschland so zuverlässig ist. Es gibt einfach zu wenig Blackouts, die Menschen animieren könnten, sich auf die ursprünglichen und wirklich wichtigen Dinge des Daseins zu konzentrieren. Insofern besteht Hoffnung, dass unsere Population von der weiteren Ausbreitung der erneuerbaren Energien und der dadurch zunehmenden Gefahr von Netzabstürzen profitiert.

Vielleicht ist das aber auch Quatsch, und wir vermehren uns nur deshalb nicht mehr ordentlich, weil wir ständig am Chatten und Twittern sind. Wir sitzen doch nur noch vor dem Rechner oder daddeln mit Smartphone und Tablet! Und was da alles an Quatsch und Bösartigkeiten durchs Netz gejagt und in unzähligen Online-Foren verewigt wird. Sind soziale Medien Fluch oder Segen? Man könnte sich beispielsweise vorstellen, dass eine große Anzahl von Chaoten sich im Netz zusammenrottet und in einer konzertierten Aktion auf einen Schlag unvermittelt Hunderttausende von Elektrogeräten einschaltet, was das Netz in die Knie zwänge. Unwahrscheinlich, aber denkbar. Das wäre zwar eine perfide Aktion, die aber im Lichte der Blackout-Geburtenanstiegs-Theorie ganz anders zu bewerten wäre. Andererseits habe ich neulich auf einer Konferenz zum Thema Big Data und Business Intelligence gehört, dass Energieversorger sich aktiv in Social Media einbringen sollten. Warum? Weil es kein schnelleres Medium gibt als Chat-Foren und man dort früher als durch irgendeine andere Quelle erfährt, dass ein Stromausfall eingetreten ist. Das ist natürlich klasse, wenn soziale Medien dazu beitragen, einen Stromausfall schnellstmöglich zu beheben. Aber was wäre damit für die Lösung unseres demografischen Problems getan? Nichts! Das Licht bliebe einfach nicht lange genug aus.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Energieversorger werden wohl keinen Beitrag leisten, den demografischen Wandel aufzuhalten …

Für SOPTIM AG, Juli 2013

Was tun, wenn der Strom ausfällt?

Wussten Sie eigentlich, dass Stromausfälle seit vielen Jahren meine steten Begleiter sind? Nicht, dass ich oder meine Arbeitgeber je längere Zeit ohne Saft aus der Steckdose hätten auskommen müssen. Glücklicherweise zählt die Stromversorgung in Deutschland zu den zuverlässigsten in der Welt. Zumindest im Moment noch, denn die Sicherheit scheint zunehmend in Gefahr zu geraten. Durch den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und die zu langsame Anpassung der Netze, heißt es. Deshalb bekomme ich in jüngster Zeit wieder häufiger den Auftrag: „Schreiben Sie doch mal was zum Thema Stromausfall.“ Das ist bei SOPTIM nicht anders. Die SOPTIM AG verdient ihr Geld unter anderem damit, dass sie Energieversorger mit ihrer Software unterstützt, möglichst genaue Verbrauchsprognosen zu erstellen. Damit leisten also auch wir einen Beitrag zur stabilen Stromversorgung.

Schon komisch: Wir leben im Stromparadies und sind fasziniert vom Black-out. Malen wir uns Worst-Case-Szenarien aus, weil es uns motiviert, die Stromversorgung möglichst ausfallsicher zu machen? Oder ist das unsere Art, uns über die Zuverlässigkeit zu freuen und uns bewusst zu machen, wie schön Stromdeutschland tatsächlich ist? Vermutlich auch deshalb mögen wir Krimis so sehr – je abgründiger desto besser. Und am Ende dürfen wir uns doppelt freuen: Zum einen, weil der Bösewicht meist geschnappt wird, zum anderen, weil etwas so Schlimmes im eigenen Leben nicht vorkommt.

Trotz aller Vorsorge müssen wir damit rechnen, dass es auch in Deutschland immer wieder zu Stromausfällen kommt. Sei es lokal weil beispielsweise eine Fledermaus oder eine Ratte in einer Umspannstation ihr Zuhause gefunden hat und einen Kurzschluss auslöst oder es im Netz abnutzungsbedingt zu technischen Defekten kommt. Oder sei es großflächig, weil Hochspannungsmasten unter der Last von Schnee auf den Leiterseilen einknicken - wie 2005 im Münsterland bei einem der größten Stromausfälle in der Geschichte der Bundesrepublik. Es gibt tausend Gründe für einen Black-out und der nächste ist gewiss. Mein Orakel entspringt keineswegs persönlichem Fatalismus, sondern geht auf einen gewissen Edward A. Murphy zurück, der einmal sagte: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“

Was also tun, wenn‘s plötzlich zappenduster wird? Ich persönlich habe ja längst vorgesorgt und batteriebetriebene Mini-LED-Leuchten in der ganzen Wohnung aufgehängt. Die Gattin teilt meinen Hang zur Vorsorge leider nicht, aber das will ich hier nicht vertiefen. Auf jeden Fall sollte man im Fall der Fälle versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Stromausfall während des diesjährigen Super Bowl in New Orleans. Als die Lichter im Stadion ausgingen, schalteten einige Werbeagenturen blitzschnell und machten den Black-out zum Gegenstand witziger Werbespots, die über Social-Media-Kanäle in Windeseile verbreitet und so ein Riesenerfolg wurden. Leider sehe ich hier persönlich nur begrenztes Potenzial zur Nachahmung. Das gilt schon eher für den großen Stromausfall am 9. Februar 1965 in New York, als 800.000 Menschen stundenlang elektrische Energie entbehren mussten. Neun Monate später nämlich berichtete die New York Times von einer ungewöhnlich hohen Geburtenrate in der Stadt. Vielleicht brauchen wir einfach mehr Stromausfälle, um unsere Alterspyramide wieder in eine namensgerechte Form zu bringen. Meine Notlampen könnte ich ja ausgeschaltet lassen.

Für SOPTIM AG, April 2013

Ein Gasometer ist nun mal kein Hallenbad

Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen der Marketingabteilung! Vielen Dank! Das habt ihr wirklich toll hinbekommen. Warum musstet ihr im Abendprogramm des SOPTIM Anwendertreffens denn ausgerechnet Extremsportarten wie Kanupolo, Bogenschießen und Hochseilklettern anbieten? Wie stehe ich denn jetzt da? Als Angsthase und Versager! Dass mich alle trösten wollen, macht die Sache nur noch schlimmer.

Kanupolo im Gasometer hört sich zunächst mal harmlos an. Doch schon beim Anlegen dieses merkwürdigen Neoprenanzugs spüre ich, dass mein Mut in die Knie geht. Beim Ersteigen der schwindelerregend hohen Außentreppe des Gasometers halte ich den Handlauf fest umklammert. Um ehrlich zu sein, habe ich vor Ort ein freundliches Hallenbadambiente erwartet. Wie groß mein Schock, als wir oben eine düstere Höhle betreten: schwarze Wasseroberfläche, spärliche Beleuchtung, feuchtkühle Luft. Meine Mitstreiter ficht das alles nicht an. Sie scherzen, klettern behände in die Kanus und legen munter los: paddeln flink über das Wasser, werfen sich kraftvoll den Ball zu und treffen sogar in die winzigen Tore. „Jetzt du", werde ich aufgefordert. Ein Adrenalinstoß fährt durch meinen Körper, und mit zittrigen Beinen krabbele ich ins Kanu, das heftig schwankt. Wie war das noch mit dem Paddel? Die linke Hand hält es fest? Oder doch die rechte? Und was macht dann die andere Hand? Irgendwie fahre ich hinaus ins Halbdunkel bzw. das Kanu fährt mit mir: Unter mir 13 Meter dunkle, gruselige Tiefe. Plötzlich wirft mir jemand den Ball zu, der aber leider schräg hinter mir im Wasser landet. Ich versuche gerade, meine Position zu verändern, um den Ball greifen zu können, da werde ich hart von einem Kanu der gegnerischen Mannschaft gerammt. Mein Untersatz kippt um, ich platsche heftig ins kühle Nass. Als ich wieder auftauche, habe ich gefühlt die Hälfte der insgesamt 21 Millionen Liter Wasser im Gasometer geschluckt. Mir reicht's, denke ich und schwimme ans rettende Ufer. „Macht ihr das mal besser", pruste ich den anderen zu. „Kanupolo scheint nicht mein Sport zu sein."

Dann also zum Bogenschießen. Hatte ich auch noch nie gemacht, würde aber sicher einfach sein. War es natürlich nicht. Zunächst einmal staune ich: Pfeil und Bogen sind eine echte Waffe. Richtig gespannt, katapultiert der gespannte Bogen den Pfeil mit ungeheurer Wucht Richtung Ziel. Apropos Ziel - das treffe ich natürlich nicht. Bei den meisten anderen Schützinnen und Schützen schlagen die Pfeile mit sattem „plock" in die Zielscheibe ein, meine Pfeile landen mit einem deprimierenden „fluff" im Auffangtuch. „Du musst dir einen Ankerpunkt suchen", rät der Übungsleiter. Danke, den hätte ich schon beim Kanupolo gebraucht, denke ich. Was mir im Laufe meiner fruchtlosen Bemühungen immerhin klar wird: Wilhelm Tell, von dem Friedrich Schiller berichtet, er habe seinem Sohn einen Apfel vom Kopf geschossen, muss ein unfassbar guter Bogenschütze gewesen sein. Und natürlich erst recht Robin Hood, der einen bereits mitten im Ziel steckenden Pfeil gespalten haben soll. Die Leute hatten ja damals noch keine Hightech-Geräte wie unsereiner heute. Und als ich bei meinem letzten Schussversuch seufzend sinniere, dass mir die Fähigkeiten legendärer Bogenartisten komplett abgehen, trifft mein Pfeil: die Scheibe!

Jetzt noch zum Hochseil, denke ich mit Bangen, das wird die absolut ultimative Herausforderung. Meine Laune hebt sich, als ich einen Blick auf die Uhr werfe: Schon zu spät, das schaffe ich nicht mehr. Puh, Glück gehabt! Und habe ich meine Schwindelfreiheit mit dem Ersteigen der Außentreppe des Gasometers nicht schon hinreichend bewiesen?

Später beim gemeinsamen Feiern werden auf einer Leinwand Fotos gezeigt von den Hochseilartisten. Man sieht angestrengte Gesichter beim Balancieren und schließlich stolz strahlende Mienen nach vollbrachter Mutprobe. „Was habe ich nur für tolle Kolleginnen und Kollegen", sage ich anerkennend zu meinem Sitznachbarn. „Und was hat SOPTIM nur für mutige Anwenderinnen und Anwender, unglaublich! Nur ich habe mich davor gedrückt." „Machen Sie sich nichts daraus", antwortet er, „dafür haben Sie andere Qualitäten." Stimmt, sage ich mir im Stillen und berichte leichten Herzens über meine Erlebnisse beim Bogenschießen und meine Gedanken zu Wilhelm Tell und Robin Hood - bis mein Gesprächspartner mich unterbricht: „Wilhelm Tell, hat der nicht mit der Armbrust geschossen?" Schande, ja, natürlich! Andere Qualitäten soll ich haben? Welche anderen Qualitäten?

Für SOPTIM AG, Oktober 2012

Mit Work-Life-Balance zur Energiewende

Kürzlich war ich auf einem Seminar für Work-Life-Balance. Der Referent verteilte ein Meter lange Zollstöcke an alle Teilnehmer. Jeder Zentimeter darauf sei ein Lebensjahr, sagte er. Der gesamte Zollstock entspreche der maximalen Lebensdauer eines Menschen. "Schauen Sie mal, wo Sie stehen und wie weit Sie auf der Skala noch kommen möchten." Den ganzen Meter voll zu machen, ist bekanntlich nur den wenigsten vergönnt. Für viele ist meist schon bei 80 cm oder sogar vorher Schluss selbst wenn man sich übermäßigen Stress vom Leib hält und einigermaßen gesund lebt.

Um ehrlich zu sein: So anschaulich vermittelt zu bekommen, welche Zollstocklänge ich schon hinter mir habe und wie viele Zentimeter im Normalfall nur noch vor mir liegen, wirkte nicht gerade beflügelnd. Kündigen und aussteigen, war mein ebenso spontaner wie unrealistischer Gedanke. Meine Laune besserte sich keineswegs, als mir noch etwas klar wurde: Das Jahr 2050, wenn nach dem Willen der Bundesregierung die Energiewelt weitestgehend smart, regenerativ und dezentral funktionieren soll, werde ich wahrscheinlich nicht mehr erleben. Vielen Zeitgenossen geht es genauso. Höchst bedauerlich!

Könnte es mit der Entfernung zum Ziel zu tun haben, dass die Energiewende so zäh vorankommt? Im kurzatmigen Hier und Jetzt tut sich der Mensch bekanntlich schwer, weit in die Zukunft zu planen. Und bis 2050 sind es noch fast vier Jahrzehnte, also ein halbes Leben! Warum sich ins Zeug legen für ein Ziel, das man nicht oder kaum erreichen kann?

Ist eigentlich nicht sowieso alles egal? Wenn wir uns selbst zu viel Stress machen mit der Energiewende, sinkt unsere Lebenserwartung, und wir erleben sie nicht mehr. Wenn wir uns keinen Stress mit ihr machen, verzögert sie sich weiter, und wir erleben sie genauso wenig. Andererseits fände ich es toll, von der Energiewende noch möglichst viel zu erleben. Bestimmt wäre es reizvoll, einmal auszuloten, welcher Weg mir persönlich die besseren Chancen bietet.

Moment, da kommt mir eine Idee! Wir reden hier doch über eine klassische Risikoabschätzung und somit ein Thema wie gemacht für SOPTIM! Man könnte eine Software entwickeln, die individuell ermittelt, wie man es schafft, noch möglichst viel Energiewende mitzubekommen. Einen Namen hätte ich schon: SOPTIM PETA (Personal Energy Transition Analyzer). Die Applikation wäre bestimmt ein Renner. Auch Beratungsbedarf scheint es mir ohne Ende zu geben. Goldene Aussichten für SOPTIM und sbc! Muss ich sofort unserem Geschäftsfeldentwickler erzählen.

Für SOPTIM AG, Juni 2012

Heller Zähler steuert weiße Ware

Smart, smart, smart – wohin man schaut und hört, die Energiewelt wird smart. Erst Meter, dann Grid und Home, schließlich die ganze Branche. Merkwürdig, dass ein englisches Modewörtchen den Fachdiskurs beherrscht, obwohl wir noch in einer Realität stecken, die standhaft so ziemlich das Gegenteil von smart zu sein beliebt. Ist es unsere ewige Sehnsucht nach der schönen neuen Welt? Oder ist Gorbatschow schuld (Wer zu spät smart sagt, den bestraft das Leben)? Nein, im Ernst, wir müssen uns natürlich ein Bild von der Zukunft machen. Und selbstverständlich wollen wir vorneweg marschieren. Denn wer nicht gestaltet, wird verwaltet.

Trotzdem, der smarte Overkill nervt. Wenn alles smart wird, droht Beliebigkeit. Wer will denn noch smart sein, wenn alle anderen es auch sind oder sein wollen? Wer wird überhaupt noch wahr- und ernstgenommen, wenn jeder in den Chor der Smartsager einstimmt? Ganz klar, wir brauchen neue Adjektive, um herauszuragen aus der smarten Masse. Vielleicht kommt schon bald jemand um die Ecke und behauptet, er und seine Technologie seien supersmart. Mit "mega" und "hyper" gelingen nicht minder schöne Steigerungen. Andererseits: Es kann kein Zufall sein, dass sich aus unserem Lieblingswort so schöne Verballhornungen machen lassen wie SM-Art oder (S)Marter. In jedem Scherz wohnt bekanntlich ein Funken Wahrheit.

Und warum muss es schon wieder ein Anglizismus sein? Wer sich die Mühe macht, deutsche Übersetzungen von "smart" ausfindig zu machen, wird reich entlohnt: klug, intelligent, schlau, clever, pfiffig, schick, fein, raffiniert, schnell, schmuck, fesch, flott, gewitzt, vornehm, flink, zackig, fix, schnittig, gerieben, superklug, neunmalklug, rasch, hell, zügig und blitzschnell sind im Angebot. Wenn das die Fantasie nicht ankurbelt!

Wie wäre es, von zackigen Zählern zu sprechen? Gut, das wird wohl eher missverstanden. Einen neunmalklugen Zähler möchte vermutlich auch niemand im Haus haben. Aber vielleicht einen hellen Zähler, weil er ja zugleich hell und helle ist? Das ist die Lösung!

Nun bedarf es nur noch eines kleinen Gedankensprungs, helle Zähler zur weißen Ware zu erklären. Die Brücke zu den farbgleichen, künftig fernzusteuernden Haushaltsgeräten im Smart Home ist auch im Nu geschlagen. Ich sehe schon die Schlagzeile: "Heller Zähler steuert weiße Ware". Okay, eigentlich tut dies ja das Gateway. Aber egal, Kleinkariertheit stört, wenn man die Zukunft neu erfindet! Über Smart Grid und Smart Home müsste ich allerdings noch einmal nachdenken.

Für SOPTIM AG, Januar 2012

Herrliche Aussichten

Die Welt wird immer technisierter. Nehmen wir etwa das beliebte Autofahren. Wie bequem es doch ist, sich vom Navigationsgerät zum Zielort leiten oder vom Parkassistenten in eine enge Parklücke manövrieren zu lassen! Bald werden wir so viele technische Helferlein in den Fahrzeugen haben, dass wir gar nicht mehr selber steuern müssen. Herrliche Aussichten.

Andererseits macht die Technik ihre Nutzer abhängig und dumm. Wir werden vieles komplett verlernen, früher lebenswichtige Fähigkeiten wie Falk-Plan-Lesen beispielsweise und natürlich rückwärts einparken. Womöglich werden Beine und Arme degenerieren, weil wir sie nicht mehr zum Kuppeln, Schalten und Lenken benötigen.

Bei mir ist der PC ein Gerät, das mich heute schon entmündigt hat. Zum Beispiel habe ich meine Handschrift verlernt, weil ich sie schon seit langem nicht mehr benötige. Das ist mitunter unangenehm. Wenn ich zum Beispiel irgendwo unterschreiben muss, versuche ich einen möglichst signaturähnlichen Linienschwung hinzubekommen. Ehrlich gesagt gelingt mir das immer weniger und meine Unterschrift ähnelt immer mehr einer waagerechten Linie. Glücklicherweise hat noch niemand bemerkt, dass ich praktisch wieder zum Analphabeten geworden bin – na ja, in Bezug auf meine Handschrift jedenfalls. Dafür haben sich meine Fingerkuppen abgeflacht und Hornhäute entwickelt, vom vielen Tippen auf der Tastatur.

Sie glauben mir nicht? Damit haben Sie Recht. Die Geschichte hat sich nämlich mein brandneues Texterarbeitungsprogramm ausgedacht. Jetzt will ich nur hoffen, dass diese Software nicht noch andere Anwender mit dem gleichen Text beglückt. Sonst habe ich am Ende noch eine Plagiatsklage am Hals…

Für SOPTIM AG, August 2011

Abkürzungen – neue Hilfssprache für Insider?

Wir haben einfach zu wenig Zeit. Sie fehlt uns überall, sogar für eine vernünftige Kommunikation. Deswegen benutzen wir immer mehr Abkürzungen. In unserer Sprachwelt wimmelt es nur so davon. Und es wird immer schlimmer. In der digitalen schriftlichen Kommunikation erleben wir die Entstehung einer Art neuer Hilfssprache. Für SMS-Nachrichten gibt es inzwischen regelrechte Lexika. Und das ist auch gut so und wichtig. Oder wissen Sie, was WASA oder 10q bedeutet? Damit sind wir auch schon beim Problem: Die „Abkürzeritis“ teilt die Menschheit in Wissende und Unwissende, in Insider und Outsider. Sind Sie in der neuen Welt zuhause? Machen wir einen Test: ESC halten Sie für die Beschriftung einer Taste auf Ihrem Laptop? Sie scheinen wirklich den Anschluss verpasst zu haben. Die Rede ist natürlich vom Eurovision Song Contest.

Auch die Energiewirtschaft ist infiziert. Wettbewerb und Regulierung tragen Mitschuld. Früher gehörte man zum Club, wenn man nur wusste, was MW und kWh bedeuten. So einfach funktioniert das heute nicht mehr. Natürlich ist es umständlich und langwierig, den Terminus „Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität“ auszusprechen und wortgetreu im Gedächtnis zu verankern. Viel kürzer und einprägsamer ist das zackige Akronym GPKE. Es gibt eine Menge kryptisch anmutender Branchenkürzel: MaBiS, WiM, GeLi, GaBi, KoopV, BKN, BKV, ANB, EDM, VNB, ÜNB, MSB, MDL, SLP, RLM, MUC usw. Wir bei SOPTIM kennen und benutzen diese Begriffe ebenfalls. Das sollte Sie aber nicht beunruhigen. Denn wir wissen nicht nur ganz genau, für welche Begriffe die Kürzel stehen, sondern auch, was inhaltlich dahinter steckt. Von dieser Kenntnis profitieren wiederum unsere Kunden.

Aber ehrlich und ganz im Vertrauen – bisweilen wünscht sich bei uns manch genervter Kollege die guten, alten Zeiten zurück - und zwar asap, lol…

Für SOPTIM AG, Mai 2011